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07.05.2020

Neue Spuren in Nakaziba

Neue Spuren in Nakaziba

Reflexion über 8 Monate Arbeit bei ACFC Nursery Schools und Nursery Teachers College

von Astrid Zimmermann

Zigoti/Nakaziba. Der Punkt „how effective (happy and integrated) are the volunteers”  brachte mich zum Nachdenken. David Croome, Organisationsberater, Managementtrainer und auch Vorstandsmitglied von Kindern eine Chance, hatte ihn beim Volunteersmeeting im Februar 2020 in Nakaziba auf die Tagesordnung gesetzt.

Was heißt eigentlich „effektiv“ im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit hier bei „A Chance for Children“ in Uganda?
Nehmen wir Volunteer Lucas Himmler als Beispiel: Er hat mit Oliver Alber gemeinsam einen Brutkasten gebaut, hat den ersten Versuch Hühnereier auszubrüten, überwacht und dokumentiert und letztendlich 38 Küken „zur Welt gebracht“. War das effektiv? Von 60 Eiern sind nur 38 geschlüpft – im Vergleich zu den im Internet angegebenen  Erfolgsraten waren das eher wenige. Doch für den ersten  Versuch war es wiederum sehr gut.  Der Pool in Nakaziba wurde gereinigt und von den FarmhelferInnen genutzt, die Unterhaltungsabende waren begehrt. Lucas Arbeit hier war also effektiv.

Aber was bedeutet das bei der Vorbereitung und beim Aufbau eines Nursery Teachers College und dem Versuch, langsam Child centred learning und Playful learning in den ACFC-Kindergärten zu etablieren? Wann war die Unterstützung des Vorbereitungskomitees erfolgreich? Mit der Eröffnung des Colleges? Wenn sich eine möglichst große Anzahl von Studierenden meldet? Wenn sich die Idee eines neuen Zugangs zum Arbeiten in den Nursery schools, in der Ausbildung der künftigen Nursery teachers niederschlägt?

Unterstützung der ugandischen Kolleginnen und Kollegen
Wir hatten das Ziel vorher nicht festgelegt. Laut den Informationsmaterialeien von Kindern eine Chance  für Freiwillige geht es in erster Linie darum, die ugandischen KollegInnen zu unterstützen und von einander zu lernen. Zumindest in diesen Punkten war meine Arbeit, vor allem gemeinsam mit Paula Fiegl und Elena Neuner, gewiss ein Erfolg.  Die meisten der ACFC-Nursery schools sind nun mit von Paula kreierten Holzspielsachen ausgestattet, die das spielerische Lernen unterstützen sollen. In Workshops haben die Nursery teachers gelernt, diese – und andere selbst fabrizierten – Materialien einzusetzen. Mit Unterstützung von Julie Croome sind sie der Idee näher gekommen, dass das einzelne Kind im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen sollte und nicht der/die LehrerIn an der Tafel. Dass in der Baby class, also bei den Kleinsten, das Schreiben nur vorbereitet, Buchstaben und Wörter aber frühestens in der Middle class gelernt werden, dürfte sich jetzt auch langsam durchsetzen. Für den Anfang also ein ganz schöner Erfolg.

Getreu meiner Kollegin Elena, die bereits zum dritten Mal hier in Uganda gearbeitet hat und einfach viel erfahrener in der Einschätzung von Veränderungsmöglichkeiten ist, habe ich mir oft genug selbst gesagt, „Du wirst die Welt hier nicht verändern“.  Ich hatte mir ohnehin nur vorgenommen, ein paar Spuren zu hinterlassen, was uns gemeinsam sicher gelungen ist:  Allein schon die Einrichtung im „Demonstration Kindergarten“ in Nakaziba befördert das Child centred learning. Runde Tische, die Kinder können also gar nicht mehr in Reih und Glied wie in der Schule sitzen, alle Augen auf die Tafel ausgerichtet. Schon die Sitzordnung fördert die Kommunikation  zwischen den Kindern und es bilden sich automatisch Gruppen. Die großen Matten, die das Spielen und Lernen auf dem Fußboden und auch die ganze Klassenatmosphäre gemütlicher machen, verdanken wir Head teacher Sarah.

Und auch das  Spielzimmer in Nakaziba kann echt ein Vorbild für andere Nursery schools sein: Wie wir es von österreichischen Kindergärten kennen hat Elena Neuner gemeinsam mit den Kindergärtnerinnen eine „Home Ecke“, eine Bau Ecke, einen Kreativbereich, einen Shop  und eine kleine Bibliothek eingerichtet. Wo die Kinder jetzt mehr und mehr dazu übergehen, sich in der Free activity oder Free choice die Spiele und Spielsachen selbst auszusuchen.

Basteln, schauen, staunen, spielen - und lernen.
 In zahlreichen ganz konkreten Beispielen haben wir gemeinsam mit den Kindergärtnerinnen erarbeitet, was Lernen mit allen Sinnen bedeuten kann. Zufällig hatte ich von einem Lunchpaket aus einem Hotel zwei Äpfel  in meinem Obstkorb. Äpfel wachsen in Uganda nur in von Europäern angelegten Obstgärten und auf den Farmen von A Chance for Children.  So haben wir schon bei einem Rundgang auf der Farm in Nakaziba im Rahmen eines Workshops den Kindergärtnerinnen die jungen Apfelbäume gezeigt, die zu diesem Zeitpunkt gerade geblüht haben. Äpfel sind teuer in Uganda, weil sie aus Südafrika importiert werden. Doch als die Kinder  den Buchstaben „A“  und  das englische Wort „apple“ lernten, kamen meine zwei Äpfel zum Einsatz. Jedes Kind konnte sie angreifen, daran riechen und am Ende wurden sie aufgeschnitten und jede/r durfte probieren. Seither war es nie eine Frage wie dieses grüne runde Ding im Bilderbuch heißt, wenn ich darauf zeigte. Ganz selbstverständlich antworteten schon die Jüngsten ganz stolz: „Apple“. Oder wenn wir gezeigt haben, wie einfach „touch and feel“-Buchstaben  hergestellt werden können: Auf eine „Flashcard“ den Buchstaben  Handteller groß aufzeichnen, Samen aufkleben, mit großem Klebeband versiegeln und schon können alle Kinder das „a“ oder „b“ nachfahren, nachspüren, später in den Sand oder in die Luft zeichnen bevor es an’s Pre-writing geht – ausmalen, nachzeichnen, zwei gleiche Buchstaben mit einer  Linie verbinden, also „matchen“ usw.

Kein Schreiben in der Baby Class - geht das denn?
Noch im September, nachdem die Richtlinie für ACFC- Nursery schools wieder einmal allen verdeutlicht wurde "kein Schreiben in der Baby class" - haben viele KindergärtnerInnen gefragt, "was dann"? Also haben Elena Neuner und ich Workshops organisiert, in denen es um das Erlernen einer zweiten Sprache ging, denn die Kinder lernen in Uganda schon im Kindergarten Englisch sprechen: Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben. Mit ganz vielen Beispielen, verstärkt durch die wunderbare Trainerin Warda Justus vom Early Childhood Development Centre in Kampala. Ich denke, von den derzeit in ACFC-Nursery schools arbeitenden Teachers  und Head teachers weiß inzwischen jede und jeder, dass Schreiben vorbereitet werden muss, dass zuerst die Feinmotorik entwickelt und dies im Kindergarten durch Spiele und ganz gezielte Übungen unterstützt werden kann. Spuren, die wir gemeinsam mit unseren ugandischen Kolleginnen gelegt haben. 

Viel Arbeit für das Vorbereitsungsteam
Auch im neuen ACFC-College für angehende KindergärtnerInnen wurden vom Vorbereitungsteam, das aus Milly, Headmistress der Nursery school in Kakindu, Raphael Tinkasimire, vormals Headmaster der Primary school in Bbongole und nun Principal des Nursery teachers college in Naklaziba, und mir zusammensetzte, wichtige organisatorische Weichenstellungen getroffen. Schon die Prinzipien und Core Values, die wir für den Folder und somit auch für das ganze College erarbeitet haben, sind wesentliche Eckpfeiler für eine zukunftsweisende Ausbildung. Was Auswirkungen bis zur Erstellung der Stundentafel hatte: Und zwar so,  dass die Studierenden einerseits sehr wohl auf die nationalen Examen vorbereitet werden, gleichzeitig aber neue Ideen und Formen des Lernens selbst kennen und praktizieren lernen. Das nationale Curriculum schreibt eine Mindestanzahl an Stunden vor – am Anfang vor allem Early Childhood Development, Psychology, How to teach a language usw. In den meisten anderen Colleges wird der so genannte Akademische Unterricht, vor allem in Englisch und Mathematik, von den Stunden der Unterrichtsmethodik und Didaktik abgezweigt. Wir haben diese Bereiche in Nakaziba getrennt, was den Vorteil hat, dass sich die Englisch- und Mathematik Tutoren wirklich darauf konzentrieren können, das Know -how in diesen Fächern berufsspezifisch zu verbessern und die Tutoren in Methodik sich ganz dem widmen können, wie den Kleinen spielerisch Englisch und mathematisches Verständnis für Zahlen, Mengen, Formen, Teile usw. vermittelt werden kann.

Praxistag für die Studierenden und keine Prüfungen für die Kinder
 Außerdem haben wir angelehnt an die Kindergärtnerinnen-Ausbildung in Österreich von der ersten Woche an einen Praxistag eingeführt, wo die Studierenden zunächst das Beobachten der einzelnen Kinder und deren Verhaltensweisen und das Beschreiben desselben lernen – ohne Wertungen oder Bewertungen. Keine ganz leichte Übung, aber sehr sinnvoll. Denn in den ACFC-Kindergärten gibt es nur ganz am Ende, vor dem Übertritt in die Schule ein so genanntes Examen. Davor werden die Eltern mündlich über den Fortschritt ihrer Kinder informiert. Continuous assessment nennt sich das, also ständiges Beobachten der Entwicklung der Kinder, vor allem in ihrem sozialen Verhalten und ihrer kognitiven Fähigkeiten. Auch das muss gelernt werden. Bei den ersten Feedbacks der 11 Studentinnen des ersten Jahrgangs war diese Verbindung von Theorie und Praxis genau das , was ihnen am besten gefällt. 

Diese formalen, organisatorischen Maßnahmen, wie der aufgepeppte Stundenplan – neben Englisch und Mathematik auch noch regelmäßig Musik- und Computer-Unterricht – sowie die Auswahl der TutorInnen sollen Voraussetzungen für neue Inhalte und Methoden schaffen. Wichtige Ansätze für erwünschte Veränderungen in der Ausbildung der künftigen KindergärtnerInnen.

Verfrühte Abreise wegen COVID-19
Als der „lock down“ am 20. März 2020 kam und alle Schulen von einem Tag auf den anderen geschlossen wurden, war mein erster und dominierender Gedanke: „Aber wir sind doch noch gar nicht fertig. Wir haben doch unsere Vorhaben noch gar nicht beendet!“.  Und obwohl ich in Uganda in erster Linie gelernt habe, Geduld zu haben und dass „Zeit“ in diesem Land ein anderer Faktor als bei uns ist, wartete ich zunächst ungeduldig darauf, weiter machen zu können. Erst nach vier Wochen erzwungener Quarantäne in Nakaziba mit leeren Kindergarten- und College Klassen, habe ich gelernt  loszulassen: Sie werden den Weg weiter gehen, auf ihre Weise und wahrscheinlich nicht genau so, wie ich es ursprünglich  geplant hatte. Aber Spuren sind gelegt.